Verfasst von: ah | November 6, 2009

Hamburg: Floridarisierung des Protestes

Die harte Haltung des Senats war nicht mehr aufrechtzuerhalten – sowohl Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (Grüne) als auch Kultursenatorin Katrin von Welck (parteilos) gehen auf Tuchfühlung mit den Künstler/innen die seit Ende August einige Gebäude im Gängeviertel besetzt hatten. Die Stadt will offenbar die künftigen Nutzungskonzepte überdenken – bisher plante ein holländischer Investor den Abriss und Neubau großer Teile des Altbauviertels. Soweit, so schön.

Doch wo die harte Hand nicht hinlangt, werden weiche Standortfaktoren ausgepackt. So auch in Hamburg: wenn es schon nicht gelingt die unternehmerischen Strategien der Stadtentwicklung durch direkte Investitionen durchzusetzen, soll doch wenigstens ein Marketinggewinn herausspringen, wenn sich die protestiertenden Künstler/innen schon so weit in die Öffentlichkeit der stadtpolitischen Debatte hinauswagten. Mit prominenter Unterstützung von Richard Florida himself wird jetzt eine Vereinnahmungsstrategie aufgetischt. Wenn schon kein internationaler Investor im Gängeviertel, dann soll Hamburg zumindest internationales Modell für die Förderung der kreativen Klasse werden. Marke Hamburg – egal wie: US-Ökonom Florida will Künstler an öffentlichem Eigentum beteiligen.

Besonders hinterhältig an dem Spiegel-Artikel ist die Unterstellung, dass für Furore sorgende Manifest der Künstler/innen „Not in Our Name – Marke Hamburg“ sei von den „Creative City“-Debatten Richard Floridas inspiriert worden:

Seine Thesen von der „Kreativen Klasse“ stehen im Zentrum der Gentrifizierungsdebatte und haben in Hamburg ein vielbeachtetes Manifest inspiriert – jetzt nimmt der US-Ökonomieprofessor Richard Florida Stellung: Die Hansestadt könnte weltweit als Modell dienen.

Richard Florida gilt als Papst für die moderne Version neoliberaler Stadtpolitik und hat mit seinen Thesen von der ‚creative class‘ und den ‚creative cities‘ hunderte von Stadtverwaltungen dazu gebracht, sich im internationalen Wettbewerb um die Rosinen der globalen Wissenökonomie von ihrer toleranten Seite zu zeigen und angenehme Rahmenbedingungen für die neuen Dienstleistungseliten zu schaffen.

Die wissenschaftlich umstrittenen Annahmen, dass gut ausgebildete Wissensarbeiter/innen (die als Kreative bezeichnet werden) sich ihre Arbeitsorte nach den Lebensqualitäten der jeweiligen Städte auswählen, hat zu einer beispiellosen Förderkonkurrenz von Städten geführt, wenn es darum ging, attraktive Lebensbedingungen für die Umworbenen zu schaffen. Kaum eine Großstadt in Europa und Nordamerika, die keine Förderprogramme für die Kreativwirtschaft aufgesetzt hat, kaum eine Stadtverwaltung, die auf tolerante Images und die Unterstützung eines vitalen Kulturangebotes verzichtet. Letztlich ist aber diese Kreativitätsorientierung nur eine neue Spielart einer unternehmerischen Stadtpolitik, die durch selektive Förderungen und Attraktivierungsstrategien eine erfolgreiche ökonomische Positionierung im internationalen Wettbewerb erreichen möchte. Die Kehrseite solcher unternehmerischen Strategien sind jedoch immer die massiven Umverteilungen zu Lasten all jener, die im Bild der erfolgreichen Wirtschaftsmetropole keine Rolle spielen können oder sollen. Dabei ist es letztlich zweitrangig, ob im Metropolenwettbewerb auf harte oder weiche Standortfaktoren gesetzt wird.

Die nun anstehende Floridarisierung der Hamburger Stadtpolitik mag das Potential haben, einige Künstler/innen aus den Protestmobilisierungen herauszulösen – bezogen auf die neoliberale Orientierung der Stadtpolitik ist es jedoch keine Umkehr, sondern nur der Wechsel des Rennpferdes. Bleibt zu hoffen, dass die erfreulich breit angelegten Bündnisse gegen die Aufwertungspolitik in Hamburg dabei nicht unter die Räder kommen.


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