Verfasst von: ah | Dezember 12, 2009

Freiburg: Halbwertzeit des Privatisierungsvetos

Vor ziemlich genau drei Jahren freuten sich Anti-Privatisierungsinitiativen in vielen Städten der Bundesrepublik über das klare Votum des Bürgerentscheides in Freiburg gegen den geplanten Verkauf der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft „Freiburger Stadtbau GmbH“. Zum ersten Mal war es gelungen, mit einer öffentlichen Kampagne eine Privatisierungsplan aufzuhalten.  In der Erfolgsfreude damals kaum wahrgenommen wurde die begrenzte Gültigkeit des Abstimmungsergebnisses. Die Bindungsfrist von Bürgerentscheiden beläuft sich auf lediglich drei Jahre. Und genau die sind nun abgelaufen.

Und die Freiburger Politik will offenbar auch keine weiteren Schonfristen einräumen. Schon ein paar Tage vor Ablauf der Frist gab die Stadt und ihre Wohnungsbaugesellschaft den Plan bekannt, sich von sogenanntem Streubesitz zu trennen und zunächst 24 Häuser zu verkaufen. Die Badische Zeitung titelt dazu: Reihenhäuschen im Angebot. Was dort zu lesen ist klingt ein wenig wie eine Meldung von Radio Eriwan:

Seit dem 12. November kann die Stadtverwaltung, weil die dreijährige Bindungsfrist des Bürgerentscheids abgelaufen ist, wieder Wohnungen verkaufen. Theoretisch. Praktisch soll es jedoch keine Verkäufe mehr geben, wie Oberbürgermeister Dieter Salomon im BZ-Interview bekräftigt hatte. Morgen jedoch soll eine Ausnahme gemacht werden.

Es kann also wieder privatisiert werden, aber nur theoretisch, praktisch wird es aber nicht stattfinden, außer wenn Ausnahmen gemacht werden…

Diese geplanten ‚Ausnahmen‘ reihen sich dabei in die wirklich katastrophale Wohnungspolitik der Freiburger Stadtbau der letzten Jahre. Als ob es darum ginge den Initiator/innen des Bürgerentscheides zu zeigen, dass öffentlicher Wohungsbau nicht preiswert sein muss und auch sonst keine Versprechen auf eine soziale Stadtentwicklung einzulösen bereit ist, hat die Freiburger Stadtbau die Mieten in den vergangen Jahren kräftig erhöht und offensichtlich Teile ihrer Bestände regelrecht baulich vernachlässigt.

In einem Offenen Brief an die Stadt Freiburg zum aktuellen Verkaufsplan fragt die Aktion Sperrminorität:

1. Wie konnte es in der „gut aufgestellten und effizienten“ Freiburger Stadtbau soweit kommen, dass „…die Häuser in der Haslacher Gartenstadt und in der Hansjakobstraße…in schlechtem Zustand“ sind und „der Sanierungsaufwand so hoch (wäre), dass wir das über die Miete nie mehr rein kriegen würden“ ? (BZ-Interview 14.11.2009)

2. Wie konnte dies obendrein unter den wachsamen Augen des Stadtbau-Aufsichtsrates geschehen, dem der halbe Gemeinderat angehört und dem der OB vorsitzt?

3. Wohin sind sie entschwunden – die Instandhaltungsrücklagen für die 20 Wohnungen? Die in jeder Miete einkalkuliert sind und die sich im Laufe der vergangenen Jahre mit Verzinsung auf sechs- bis siebenstellige Beträge aufsummiert haben?

4. Speisen sich auch daraus die Bilanzgewinne der Stadtbau, die jährlich an die Stadt Freiburg ausgeschüttet werden? Den Geschäftsberichten und Bilanzen der Stadtbau sind solche Kleinlichkeiten nicht zu entnehmen.

5. Oder müssen diese zweckentfremdeten Mieterzahlungen („Gewinne“) wahlweise für die Finanzierung kommunaler Aufgaben herhalten, wie dem Bau des Kunstdepots durch die Stadtbau? Weil durch Bankenrettungsfonds, Abwrackprämien und Steuersenkungen für Großkonzerne/Großverdiener kaum noch Steuergelder zur Verfügung stehen?

6. Und wir wollen schon gar nicht danach fragen, warum alle Mieter dieser Häuser so mir nichts dir nichts gemeinsam ausgezogen sind und die Häuser leer stehen, wie „von unsichtbarer Hand gelenkt“. Schließlich kann der 22-köpfige Aufsichtsrat der Stadtbau seine 44 Augen nicht überall haben.

Antworten auf ihre Fragen hat die Initiative bisher noch nicht erhalten. Und mit eine paar Fragen wird die Stadt sicher auch nicht zu einer sozialeren Wohnungspolitik zu bewegen sein. Doch genau dies steht auf der Agenda der wohnungspolitischen Initiativen in Freiburg.  Die Initiative „Wohnen ist Menschenrecht“ beschreibt, warum das so ist:

Freiburg ist mittlerweile, gemessen am Einkommen, die Stadt mit den höchsten Mieten in der BRD. Und Freiburg ist trotzdem die Stadt mit den höchsten Mietpreissteigerungen! Freiburg braucht nicht weniger, sondern mehr bezahlbaren Wohnraum. Und Freiburg braucht nicht weniger, sondern mehr öffentliche Einflussmöglichkeiten auf Wohnungen und Mieten.

Um genau dies langfristig zu sichern und sich nicht von befristeten Mobilisierungserfolgen abhängig zu machen, hat sich im Umfeld des Freiburger Miethäusersyndikats die „Aktion Sperrminorität“ gebildet. Idee ist es über den Erwerb eines Gesellschafteranteils und einer Satzungsänderung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft künftige Verkäufe auszuschließen. Vielleicht bietet ja der geplante Verkauf der 24 Reihenhäuser einen guten Anlass, die Idee der Sperrminorität zu verbreiten. Denn damit ist eindrücklich klar geworden, dass Bürgermeister, die theoretisch-können-es-praktisch-ausschließen-und-dann-trotztdem-machen mit Sicherheit keine Garantie für ein Verkaufsmoratorium darstellen.


Antworten

  1. Die liebe Gier ;-( Dresden hat seinen städtischen Betrieb auch verkauft, die Mieter moralisch und monetär gleich mit. Jetzt fällt ihnen auf, dass es ja doch nicht so richtig war und sie wollen eine neue städtische Wohnbaugenossenschaft gründen. Nur wo sollen nun die passenden Wohnungen herkommen? Von den alten Neubesitzern?

  2. Hier noch ein aktueller Radiobeitrag dazu:
    http://www.rdl.de//index.php?option=com_content&task=view&id=4610&Itemid=145

  3. […] beläuft sich auf lediglich drei Jahre. Und genau die sind nun abgelaufen. Mehr lesen im gentrificationblog Dagegen spricht sich ein Offener Brief aus: Sehr geehrte Mitglieder des Gemeinderates, sehr […]


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