Verfasst von: ah | Juli 1, 2013

Berlin: Wem hilft die Mietenbremse?

Ich war vergangene Woche zur öffentlichen Anhörung des Rechtsausschuss in den Deutschen Bundestages geladen. Zur Debatte standen drei Anträge zur Reform des Mietrechts. Die Macht der Immobilien-Verwertungs-Koalition spiegelte sich in der Zusammensetzung der geladenen Expert/innen wider: Den drei Verbandsvertreter verschiedener Immobilienverbände (IVD, Haus&Grund, Bundesarbeitsgemeinschaft der Immobilienwirtschaft) stand allein Herr Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund als institutioneller Interessenvertreter gegenüber – dazu eine Handvoll Juraprofessoren, ein ehemaliger Richter, eine praktizierende Richterin und ein Sozialwissenschaftler.

Thema der Aussprachen waren neben Fragen zur Regelung von Mietminderungsansprüchen und des Umgangs mit nach Vertragsabschluss festgestelten Abweichungen der Wohnungsgröße vor allem die aktuellen Debatten um die Einführung einer Mietenbremse. Wenig überraschend hielten die Eigentümervertreter relativ wenig von der Begrenzung der Wiedervermietungsmieten. Die am häufigsten gebrachte Begriff des Abends war: „investitionsfeindlich“. Gelabelt wurde damit eigentlich jeder Eingriff ins Mietrecht, der unmittelbare oder auch nur indirekte Effekte auf die Höhe potentieller Mieterträge haben könnte: Kappung der Modernisierungsumlage: investitionsfeindlich! Begrenzung der Mieterhöhungsmöglichkeiten in bestehenden Mietverträgen: investitionsfeindlich! Kappung der Wiedervermietungsmieten: investitionsfeindlich und Gift für alle Wohnungssuchenden!   Letztendlich glich es der Drohung eines Investitions-Streiks: „Wenn ihr eine solche Mietbegrenzung einführt – hören wir auf zu bauen.“

In meiner Stellungnahme habe ich versucht zu erklären, warum eine Kappung der Wiedervermietungsmieten auch auf den Neubau einen positiven Einfluss haben wird. Simple Idee dabei:

Ökonomisch rational getroffen Investitionsentscheidungen können als Abwägungsprozess zwischen verschiedenen Ertragserwartungen und Risiken angesehen werden. Eine Minderung von Ertragserwartungen im Bestand müsste entsprechend die Attraktivität von Neubauinvestitionen stärken.

Zur Begründung der These habe ich ein paar Zahlen zum Grundstückshandel in Berlin zusammengetragen, die zeigen:

Mit steigenden Mietpreisen und hohen Wiedervermietungsaussichten stieg die Zahl des Erwerbs bebauter Grundstücke – zugleich reduzierten sich die Ankauffälle potentieller Baugrundstücke und die Bautätigkeit. Je höher die Lücke zwischen Bestands- und Angebotsmieten, desto größer die Anteil der wohnungswirtschaftlichen Investitionen, die in den Bestand fließen.

Grundstückshandel_Ertragslücken_Berlin

Die Vertreter der Eigentümerverbände wollten dem nicht so recht folgen, hatten aber außer Verwahrlosungsszenarien (weil es dann keine Anreize mehr gäbe, die Wohunng in Schuss zu halten) wenig Argumente. Lukas Siebnkotten vom Deutschen Mieterbund wollte keine Stellung beziehen,  fand den Gedankengang aber zumindest interessant und will der Sache nachgehen.

Zur ausführliche Stellungnahme…

Stellungnahme Anhörung Rechtsausschuss: „Bezahlbare Mieten in Deutschland“ (am 26.06.2013)

von Andrej Holm

Einleitung: Deutschland ist auf dem Weg zum Eigentümer-Land, doch in den Großstädten wohnen nach wie vor über 75 Prozent der Bewohner/innen zur Miete. Stadtentwicklungsfragen und insbesondere Fragen der Wohnungsversorgung sind daher zu allererst Mietwohnungs-fragen.

Kontext und Problem: Seit einigen Jahren haben steigende Mieten in vielen Groß- und Universitätsstädten für wachsende Teile der Bevölkerung den Zugang zur Wohnungsversorgung und insbesondere zu preiswerten und angemessenen Wohnungen erschwert. Die Wohnungsfrage ist in vielen Städten wieder zu einem zentralen Thema der Stadtpolitik geworden. In diesem Zusammenhang stehen vor allem drei Themenfelder im Mittelpunkt der Diskussion:

  • Soziale Fragestellungen der Wohnungsversorgung: Gibt es ausreichend Wohnungen für alle Haushalte? Gibt es ausreichend bezahlbare und angemessene Wohnungen für breite Schichten der Bevölkerung? Gibt es auseichend Wohnungsangebote für diejenigen, die sich nicht selbst am Markt mit Wohnungen versorgen können?
  • Sozialräumliche Fragen der Segregation: Wie sind insbesondere preiswerte Wohnungen in den Städten verteilt? Haben alle gesellschaftlichen Gruppen einen gleichberechtigten Zugang zu den Wohnungsversorgungssystemen? Begünstigt oder bremst das lokale Wohnungsangebot die Tendenzen der sozialräumlichen Polarisierung?
  • Verdrängung im Kontext von Gentrifizierungs-Prozessen: Führen Wohnungsmarktentwicklungen zu Aufwertungstendenzen in den Städten, die mit der Verdrängung ärmerer Bevölkerungsgruppen verbunden sind?

Im Zentrum der zurzeit diskutierten Wohnungsfrage stehen also vor allem soziale Aspekte der Wohnungsversorgung und Stadtentwicklung.

Lösungsvorschläge: Die fachlichen, öffentlichen und politischen Debatten oszillieren im Zusammenhang der sozialen Aspekte der Wohnungsfrage um zwei zentrale Themenbereiche, in denen Lösungspotentiale für die Sicherstellung einer sozialen Wohnungsversorgung gesehen werden.

  • Neubau: Wie können genügend und bedarfsgerechte neue Wohnungen geschaffen werden? Ein vielfach vorgebrachtes Argument dabei sind die Marktmechanismen, von denen erwartet wird, dass die Ausweitung des lokalen Wohnungsangebots zu einer Entspannung der Mietpreisdynamiken führt.
  • Bestandserhalt:  Wie können preiswerte Mietpreise im Bestand erhalten werden? Insbesondere gilt dies für die bisher preiswerten Altbauwohnungen, ehemalige Sozialwohnungen und Wohnungen der Siedlungsbauten aus den 1920er bis 1960er Jahren, in denen die Mietsteigerungen der vergangenen Jahre die stärksten Steigerungsdynamiken aufwiesen.

Als Lösungsvorschläge diskutiert und auch Gegenstand der hier vorliegenden Anträge werden dabei u.a.:

  • die  Kappung der Mieterhöhungsmöglichkeiten in bestehenden Mietverhältnissen (SPD: 15% in vier Jahren / LINKE: Kappung der Nettokaltmiete bei 30% des Nettohaushaltseinkommens),
  • die Einführung von Kappungsgrenzen für Wiedervermietungsmieten (Orientierung an ortüblicher Vergleichsmiete) und
  • eine Beschränkung der Modernisierungsumlage (SPD: Begrenzung auf 9% p.a. / LINKE: auf 5% p.a.).

Reichweite der vorgeschlagenen Instrumente:

Was ist aus der Perspektive einer sozialen Stadtentwicklung bzw. sozial orientierten Wohnungsversorgung von den vorliegenden Vorschlägen zu halten?

Begrenzung Mieterhöhungen im Bestand: Die von Mietsteigerung betroffenen Haushalte sind oft schon jetzt an der Grenze ihrer Mietzahlungsfähigkeit. Hier ist vielfach eine Begrenzung der Mietkosten und nicht der Mieterhöhung notwendig. Ohne zusätzliche Entlastungen bzw. ein generelles Mietpreismoratorium für diese Haushalte können die sozialen Intentionen des Instrumentes nicht erreicht werden.

Kappung der Wiedervermietungsmieten: Diese Maßnahme würde nicht nur Druck aus dem Markt nehmen, sondern zugleich die Anreize für einen Mieterwechsel verringern. Überall dort, wo hohe Ertragslücken zwischen Bestands- und Wiedervermietungsmieten bestehen, sind ins-besondere Mieter/innen in preiswerten Wohnungen einem verschärften Verdrängungsdruck ausgesetzt, da viele Eigentümer/innen versuchen, die potentiell möglichen Einnahmen im Zuge eines Mieterwechsels zu realisieren. In Städten wie Berlin sind in den vergangene Jahren immer wieder Beispiele bekannt geworden, in denen fiktive Modernisierungs-ankündigungen und Eigenbedarfskündigungen an die Mieter/innen geschickt wurden, um nach dem Auszug die Wohnung ohne wesentliche bauliche Verbesserung zu deutlich höheren Preisen zu vermieten.

à Beschränkung der Modernisierungsumlage: In diesem Zusammen-hang stellt sich die grundsätzliche Frage nach den ökonomische Motiven der Modernisierungsumlage: Geht es um Refinanzierung der mit den Modernisierungsarbeiten verbundenen Kosten oder um eine langfristige Ertragssteigerung. Unabhängig von den Reglungen zur Höhe der jährlichen Umlage sollten die Mieterrechte gestärkt werden, auch um modernisierungsbedingte Verdrängungen zu vermeiden.

Auswirkungen von Mietrechtsänderungen auf den Neubau

Welche Auswirkungen der hier vorliegenden Anträge sind für die (von vielen Seiten als notwendig erachteten) Neubauinvestitionen zu erwarten?

Da sich die in den Anträgen vorgeschlagenen Reglungen ausschließlich auf die Bestandswohnungen und das dortige Wiedervermietungs-geschehen beziehen, sind keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von Neubauaktivitäten zu erwarten.

Als eine indirekte Auswirkung könnten die vorgeschlagenen Einschrän-kungen der Verwertungsmöglichkeiten im Bestand immobilienwirtschaft-liche Investitionen stärker als bisher in den Neubausektor lenken. Ökonomisch rational getroffen Investitionsentscheidungen können als Abwägungsprozess zwischen verschiedenen Ertragserwartungen und Risiken angesehen werden. Eine Minderung von Ertragserwartungen im Bestand müsste entsprechend die Attraktivität von Neubauinvestitionen stärken. Mietrechtliche Instrumente können dazu beitragen, das Wohnungsmarktparadox aufzuheben, welches beinhaltet, dass gerade in aufgeheizten Wohnungsmärkten die Neubautätigkeit im Verhältnis zur Nachfrage sinkt. Steigende Bestandsmieten und günstige Ertrags-aussichten bei Neuvermietungen lassen vielerorts die Investitionen in den Bestand attraktiver erscheinen, als Investitionen in den Neubau.

Ein Berliner Beispiel zeigt: Mit steigenden Mietpreisen und hohen Wiedervermietungsaussichten stieg die Zahl des Erwerbs bebauter Grundstücke – zugleich reduzierten sich die Ankauffälle potentieller Baugrundstücke und die Bautätigkeit. Je höher die Lücke zwischen Bestands- und Angebotsmieten, desto größer die Anteil der wohnungswirtschaftlichen Investitionen, die in den Bestand fließen.

Tab. 1: Grundstückshandel und Wiedervermietungsmieten in Berlin 1991-2012

 

Kauffälle p.a.

Umsatz p.a. in Euro

Index bebaute Grundstücke

(unbebaut = 100)

Differenz Bestand/

Wieder-vermietung

 

unbebaut

bebaut

unbebaut

bebaut

Kauffälle

Umsatz

1991 bis 1999

2.297

4.007

1.223 Mio.

3.339 Mio.

174

273

k.A.

2000 bis 2009

2.094

4.588

658 Mio.

3.665 Mio.

219

557

30%

Seit 2010

1.866

4.808

667 Mio.

4.588 Mio.

258

688

47%

Quellen: Gutachterausschuss Berlin, IVD-Marktspiegel, Sonderauswertung ImmobilienScout24, Mietspiegel Berlin und eigene Berechnungen

Die Daten zum Grundstückshandel in Berlin verweisen für die Jahre 2010 bis 2012 auf eine weitgehende Entkopplung der Transaktions-volumen zwischen bebauten Grundstücken und potentiellen Baugrund-stücken. Betrug der Umsatz mit bebauten Grundstücken in den 1990er Jahren etwa das 2,7fache der Umsätze von unbebauten Grundstücken, hat sich dieses Verhältnis auf das 6,9fache (seit 2010) verschoben. Die deutliche Ausweitung der Ertragslücke zwischen Bestands- und Neuvertragsmieten (im Durchschnitt 47 Prozent) hat zu einer Konzentration immobilienwirtschaftlicher Investitionen im Wohnungs-bestand geführt.

Fazit: Wer eine soziale Wohnungsversorgung im Bestand sichern und durch Neubauinvestitionen verstärken will, kommt um die Einschränkung von Verwertungsmöglichen im Bestand nicht umhin. Neben dem Schutz der Bestandsmieter/innen durch Mieterhöhungsbegrenzungen und gekappte Modernisierungsumlagen ist insbesondere die Kappung der Wiedervermietungsmieten ein geeignetes Instrument für die langfristige Sicherung einer sozialen Stadtentwicklung.


Antworten

  1. Hallo AH,

    so ganz kann ich aus der vorliegenden Tabelle deiner Argumentation nicht folgen. Wir hatten in der Nachwendezeit gerade in Berlin einen extremen Hype was unbebaute Grundstücke anging, da sich jeder Investor erst einmal das Bauland für zukünftige Baumaßnahmen sichern wollte, oder halt mit den Grundstücken spekuliert hat was den Preis anbelangt. Könntest du bitte einmal auf folgende Gesichtspunkte eingehen:

    1. Wie wirkt sich der Sonderfall Wiedervereinigung aus?

    2. Ist der Abfall des Investitionsvolumens in unbebaute Grundstücke nicht auch der Tatsache geschuldet, dass nunmehr die guten (innenstadtnahen) Grundstücke durch erfolgte Verkäufe in der Zahl abnehmen (schlicht weniger Flächen vorhanden) und somit Investitionen natürlich auch nur noch in gerigerem Umfang in unbebaute Flächen möglich ist?

    3. Kannst du bitte deine Zahlen einmal (falls möglich) mit m²-Angaben hinterlegen, damit man besser ersehen kann wie sich Preissteigerungen in Korrelation zur Fläche in beiden Segmenten bemerkbar machen.

    Die vorgelegte Tabelle wirft meiner Meinung nach mehr Fragen auf als sie Antworten gibt. Die Tabelle unterstützt zwar oberflächlich betrachtet deine Argumentation, jedoch sich nur auf die Umsatzwerte und Kauffälle zu beziehen ohne weitergehende Bezugsgrößen (insbesondere Fläche, Angebotsmenge im Vergleich zu erfolgten Transaktionen) ist keine sehr aussagekräftige Sache.

    Beste Grüße!

  2. […] durch aus ein Bewusstsein für das Problem der steigenden Mieten. Außerdem hat Andrej Holm einen interessanten Artikel geschrieben, der sich mit der immer wieder kehrenden Warnung der Immobilienlobby auseinandersetzt, […]

  3. „Ökonomisch rational getroffen Investitionsentscheidungen können als Abwägungsprozess zwischen verschiedenen Ertragserwartungen und Risiken angesehen werden“

    bekanntes kompliziert gesagt.

    „Eine Minderung von Ertragserwartungen im Bestand müsste entsprechend die Attraktivität von Neubauinvestitionen stärken.“

    was heißt „entsprechend“? investitionen finden genau dann statt, wenn die diskontierten erwarteten einnahmen aus mietzahlungen (d.h. abzüglich risiken) über den jetzt anfallenden bau- und nebenkosten liegen und es kein anderes investment gibt, was einen höheren ertrag erwarten lässt.

    gehen wir von einer mietpreisbremse aus, die nur bei bestandsbauten gilt und neubauten ausnimmt (wür welche zeit? bzw. wieviele wiedervermietungen? führt sie zum einfrieren von mieten im neubau nach dem ersten einzug?) –

    das dürfte den markt spalten. auf der einen seite balgen sich mieter, deren zahlungsbereitschaft für neubau gering ist, um die begrenzt vorhandenen altbauten zu günstigen mieten (mit abstandszahlungen, provisionen, scheinmeldungen, scheingeschäften, rechtswidrigen untermieten etc.). in diese wird dann nicht weiter investiert, wenn die investition keinen mehrerlös erwarten lässt. eigentümer vergleichen, ob sie besser in neubau in berlin oder aber auch in fondsanteile, aktien, anleihen usw. investieren.

    auf der anderen seite gibt es dann die neubauten, deren mietniveau im mietmarkt natürlich an den altbaumieten gemessen wird. mieter vergleichen, ob ihnen der mehrwert, im neubau zu wohnen, eine erheblich höhere miete wert ist. wenn nicht versuchen sie mit den oben beschriebenen mitteln einen altbaumietvertrag zu bekommen. das wiederum dürfte insgesamt zu einer beschränkung der neubaumieten und damit der zunächst auch der neubautätigkeit führen: fehlendes vertrauen, eine miete zu bekommen, die baukosten finanziert, weil die mieten im neubau ja aus bestandsmietersicht dann „völlig überteuert“ sind.

    langfristig führt dann ein stagnierendes angebot bei steigender nachfrage so oder so zu höheren preisen, teils offen (im neubau) teils „mietspiegelfern“ verdeckt.

    diese erfahrungen mit preiskontrollen seit dem mittelalter sind in allen volkswirtschaftlichen standardwerken nachzulesen.

  4. “investitionsfeindlich” und selbstzerstörerisch ist der Homo Oeconomicus, den die Grundstückslobbygruppen propagieren an sich. Investitionen sind in den letzten Jahren nur nach Kreuzberg und Neukölln gekommen, weil es dort die berühmte „Kreuzköllner“ Mischung aus Migranten, Alternativen und Subkultur gab. Wenn dort aber das Zusammenleben durch Preistreibende Immobilenspekulation zerstört wird und Kreuzberg nur noch zum Touristenhotspot für Easy-Jet Touristen wird, werden sowohl die Touristen, als auch die Investoren ausbleiben… dummer Teufeglskreis… dann werden es selbst die Unternehmer in Mitte nicht mehr in Berlin aushalten. Komisch, dass sich dieses Homo Oeconomicus-Denken in einer zivilisierten Welt durchsetzt und selbst grüne und linke Parteien den Scheiß mitmachen! Glauben die ernsthaft, dass jemals was nach unten sickern kann, wenn die ganze Stadt, die Demokratie und die Zivilisation privatisiert wird?!! Es wäre demnach sinnvoller, die verscherbelten Sozialwohnungen, auf die breite Teile der Bevölkerung angewiesen sind, zu rekommunalisieren, um Folgekosten aus Radikalisierungen und Abriss der gated Communities, zu vermeiden, sodass dann wieder private Investitionen dahin fließen können, wo sie hingehören, in Luxuswohngebiete an den Stadtrand, anstatt gewachsene Strukturen zu zerstören!

    • Ich denke so einfach ist die Ausgangslage nicht. Der Zuzug in eine angesagte Wohngegend ist meiner Beobachtung nach zu max. 30% der jetzigen Bewohnerschaft zuzuordnen. Der weitaus größere Teil entscheidet sich aus anderen Gründen für den Zuzug in die Innenstadtbereiche und hier auch nur in die noch halbwegs geschlossenen Altbaugebiete:

      1. Ansprechende Architektur der Gründerzeithäuser und gewachsene Bebauung die „menschlicher“ ist als in vom Reißbrett geplanten Großsiedelungen und qualitativ besser als die 50er-70er-Jahre-Bauten. Bautechnisch besseres Raumklima, repräsentative Deckenhöhen etc. Da der Nachbau eines Gründerzeitaltbaus zu kostenintensiv wäre entsteht hier in der Folge ein mangel an verfügbarer bausubstanz die präferiert wird, somit werden die Altbauten im Vergleich sehr teuer.

      2. Kurze Arbeitswege reduzieren die Fahrtkosten zum Arbeitsplatz. Diese machen auch den öffentlichen nahverkehr erträglich, da man sich in den verkehrsmitteln nicht lange aufhält. Wenn man das Auto das man im Speckgürtel nutzen würde dann abschafft setzt man auch abzüglich der Monatskarte sofort zwischen 300€ und 500€ frei, die zur Abzahlung des darlehns verwendet werden können. Man hat auch mehr Freizeit, weil Fahrtkosten und Parkplatzsuche entfallen. Insofern für die Käufer im inneren Stadtbereich ein finanzieller gewinn der in die Altersabsicherung Immobilie fließt.

      3. Weitere Zeitersparnis durch engmaschiges Innenstadtnetz was Ärzte, Supermärkte etc. anbelangt.

      4. Inverstitionsgeld wird bei einer Immobilie als Sachwert geparkt. Bei der Einbeziehung der augenblicklichen Zinslage ein gutes Geschäft für den Immobilienerwerber und ein hohes Maß an Sicherheit, wenn der Euro sich tatsächlich mal verabschieden sollte. Risikoscheue Investoren werden immer Sachwerte vorziehen.

      5. Investitionsentscheidungen basieren nicht nur aus dem Status-Quo. Es gibt genügend Investoren die auf eine Umfeldoptimierung spekulieren und nicht im geringsten traurig sind, wenn die „Kreuzköllner“ Mischung sich auflöst und durch eine homogene Mittelschichtsbesetzung abgelöst wird. Man sieht den Mittelstand ja auch nicht in Schaaren aus dem Prenzlauer Berg fliehen. Hier bildet sich dann eine Kulturszene heraus, die der wirtschaftlichen Potenz der gehobenen Mittelschicht entspricht (Gallerien, Kaffeehäuser etc.).

      Es gibt also auch genügend Gründe in „hippe“ Bezirke von Berlin zu ziehen, die sich nicht aus der jetzigen Zusammensetzung der Bewohnerschaft ergeben. In jedem Fall werden wir eine Clusterbildung von Armut und Menschen mit Migrationshintergrund in den Stadtrandbereichen haben. Berlin hat nicht die wirtschaftliche Potenz hier steuernd über den Sozialen Wohnungsbau einzugreifen. Auch durch den Abbau der Gelder aus dem Länderfinanzausgleich wird dieser Prozeß noch beschleunigt werden. Schon seit jeher bevorzugte Stadtrandlagen die auf einem höheren Niveau liegen (Zehlendorf, Wannsee etc.) werden auch zukünftig die Niesche für Besserverdienende sein, die im Grünen leben wollen. Sonst wird man diese Gruppe zukünftig eher im inneren S-Bahn-Ring in den Altbaugebieten antreffen. Das Präkariat wird sich in die ehemaligen plattenbauten und die 70er-Jahre-Siedlungen im ehemaligen westteil der Stadt ballen. Hier wird jedoch alleine schon aus den architektonischen gegebenheiten nicht der Charme entstehen, den die Altbaugebiete haben.

  5. In Kreuzberg geht es nicht nur um die ansprechenden Gründerzeitbauten, sondern vor Allem um die Westplatte, die über Steuerabschreibungen verschenkt wurde und jetzt als Preistreiber den öffentlichen Haushalt aufpolieren muss. Am Kottbusser Tor sind viele Familien ehemaliger Gastarbeiter verdrängt worden, sodass die Wohnungen als Kapitalmarktprodukte für Besserverdiener spekulativ leerstehen gelassen werden. Da unsere Politik immmer noch „freiheitliches Unternehmertum“ schützt, obwohl das nur bis Mitte der 1960er gut gehen konnte, werden sich die Städte auch nur Ingenieure, die Luxusgegenstände produzieren, und Unternehmer, die Scheiße produzuieren, leisten können, während Massenhaft Menschen verarmen. Die Unternehmerischen Milieus werden dann in den Städten auch kein engmaschiges Innenstadtnetz vorfinden, sondern Luxuskaufhäuser und Luxusbebaung am Spreeufer, und müssen sich in gated communities vor dem verarmten Prekariat schützen. Das ist schon längst die Weltwirtschaftskrise, die in den deutschen Städten ankommt, deshalb sollte Frau Merkel nicht anderen Ländern deutsche Werte vom „schaffen, schaffen Häusle bauen“ aufzwängen, wenn breite Teile der Bevölkerung aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen hierzulande sich niemals Wohneigentum leisten können.


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