Verfasst von: ah | November 2, 2011

Berlin: Erinnerungen an Hartmut Häußermann

Hartmut Häußermann (1943 - 2011) (Bild: http://www.hertiestudie.de)

Der Tagesspiegel hat es gerade gemeldet: Hartmut Häußermann ist gestorben. Eine kurze Meldung, ein paar Zeilen und ein Bild, Nachruf folgt…

Ich habe es gestern am Telefon erfahren und es hat mich ziemlich mitgenommen. Wir haben uns in der letzten Zeit nicht mehr oft gesehen, er war schon längere Zeit schwer krank. Mal eine kurze Begegnung am Institut, mal eine Mail und ab und zu ein Anruf. Trotzdem geht mir die Nachricht nahe. Kein Wunder: Hartmut Häußermann hat mich die letzten 15 Jahre durch das Studium, die ersten Forschungsprojekte und meine wissenschaftliche Arbeit begleitet. Wir waren nicht immer einer Meinung, wir haben uns ab und an sogar gestritten – aber wir haben uns gegenseitig in unserer Arbeit immer respektiert. Mit seinen prägnante Statements und streitbaren Positionen wird er uns fehlen.

Ich wäre ohne ihn nicht in der Stadtsoziologie gelandet. Seine Art über Städte zu sprechen, sich mit realen Problem statt mit abstrakten Modellen zu beschäftigen und auch nach vielen Berufsjahren immer neugierig zu bleiben, wird mir in Erinnerung bleiben.  Wie auch  sein Selbstverständnis, sich als Wissenschaftler in öffentliche und politische Debatten zu begeben und teilhaben zu wollen, an den Veränderungen der Stadt. Ich werde auch nie vergessen, mit wieviel Energie und Vertrauen er sich 2007 für meine Freilassung aus der Untersuchungshaft eingesetzt hat (Interview vom 21.08.2007) – zu einem Zeitpunkt als die Leitung der Humboldt-Universität sich abduckte und lieber die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten wollte.

In einer kurzen Mitteilung unseres Lehrbereiches Stadt- und Regionalsoziologie heisst es:

Hartmut Häußermann was einer der bekanntesten – wenn nicht der bekannteste – Vertreter der Stadtsoziologie in Deutschland (…). Darüber hinaus nutzte er seine einzigartige öffentliche Präsenz als Wissenschaftler um die Themen, Fragen und Erkenntnisse der Stadtforschung in das Feld der angewandten Stadtpolitik zu tragen. Mit seinem unermüdlichen Engagement hat er die stadtpolitischen Diskussionen insbesondere in Berlin über Jahrzehnte in hohem Maße geprägt und immer stets daran erinnert, dass Stadtentwicklung nicht losgelöst von sozialen Fragen betrachtet werden kann. (…) Sein Tod ist ein großer Verlust für die Wissenschaft – und für Berlin.

Auch in den letzten Monaten hat er sich trotz seiner Krankheit immer wieder in die Debatten eingemischt. Hier eine kleine Übersicht:

Hartmut Häußermann wird mir fehlen – in den wissenschaftlichen Diskussionen, in den stadtpolitischen Debatten und als Mensch.


Antworten

  1. Danke Andrej

  2. Hallo Andrej,

    ich habe vor einigen Stunden ueber den Informationsdienst Wissenschaft erfahren, dass Hartmut Haeussermann verstorben ist.
    Mittlerweile haben diverse andere Medien die Meldung auch verbreitet.

    Auf der Website der HU ist zum Tode Hauessermanns null Information zu finden;
    auf der Website des Sozialwissenschaftlichen Instituts immerhin der kurze Nachruf (dafuer wird Hauessermann dort noch als Mitglied des Lehrstuhls Stadt- und Regionalsoziologie gefuehrt).

    Ist es geplant, ein (virtuelles) Kondolenzbuch etc. publik zu machen?
    – ich wuerde gerne irgendwo eine entsprechende Nachricht hinterlassen und habe dies jetzt (notgedrungen) ueber die Kommentarfunktion des oben verlinkten Artikels bei Tagesspiegel Online gemacht.

    Ich bin wirklich traurig, von seinem Tod lesen zu muessen und haette Hartmut Hauessermann gerne noch einige Jahre gegoennt.

  3. Vielen Dank Andrej für die Zeilen.
    Hartmut Häussermanns Tod wurde heute über die DGS-Sektion mitgeteilt. Ein virtuelles Kondolenzbuch wäre schön.
    Auch mir war Hartmut Häussermann in den letzten 15 Jahren eine ruhige aber beständige Inspiration in meiner Projekt- und auch Uni-Arbeit.
    Ein gradliniger und streitbarer Stadtsoziologe – was für eine unfaßbare Lücke

  4. tja, vielleicht sollte statt wünschen mal einer so ein kondolenzbuch tatsächlich anlegen – ob nun dsg oder uni fixer ist, wäre möglicherweise unerheblich.

    ansonsten kann ich mich nur dem bereits gesagten anschliessen und blicke traurig auf das rote bändchen auf meinem tisch.
    wieder einer weniger, der sich jenseits von uni zu wort meldete – und statt den üblichen ad-hoc-bewertungen auch was zu verkaufen hatte.
    und der praxisorientierte blick statt hohem theoriegeklingel, den habe ich sehr geschätzt, den werde ich vermissen.
    da hat einer eine sehr große lücke hinterlassen.

  5. Bei Adorno findet sich der Satz:

    „Ein chronologischer Anlaß wie der hundertfündundzwanzigste Todestag Hegels hätte zu dem verführen können, was man Wüdigung nennt. Aber deren Begriff, wenn er überhaupt je etwas taugte, ist unerträglich geworden. Er meldet den unverschämten Anspruch an, daß, wer das fragwürdige Glück besitzt, später zu leben, und wer von berufs wegen mit dem befaßt ist, über den er zu reden hat, darum auch souverän dem toten eine Stelle zuweisen und damit gewissermaßen über ihn sich stellen dürfe.“

    Das setzt sich fort in der bürgerlichen Praxis des Kondolierens. Klar ist der Tod ein Verlust. Und der Tod ist immer präsent, in jeder vertanen Lebensmöglichkeit. Andererseits hat man auch einen eigenen Kopf, den man anwenden sollte, um sich „jenseits von uni zu wort“ zu melden. Niemand verpasst einem ein Denkverbot und vielleicht fängt man mit einer Kritik des Universitätsalltags damit bei sich selbst an.

  6. Danke für die guten Links.
    Ich kann dir nur zustimmen. Leider ist mir der Mann nur durch Bücher bekannt. Aber ich mag ihn trotzdem 🙂

  7. Ich hab das erst durch Kollegen erfahren, bin selbst nicht mehr an der Uni. Aber Häußermann war auf jeden fall einer der Professoren, die mir angenehm in Erinnerung bleiben werden. Auch bemerkenswert, wie er in den letzten Jahren mit seinem Feld zunehmend ins öffentliche Bewußtsein gerückt ist und sich trotz seiner Krankheit begeistert engagiert hat.


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