Verfasst von: ah | Januar 26, 2013

Logik des Marktes: Mietsteigerungen sollen Mieter/innen schützen

DR_Kultur_2013

Deutschlandradio Kultur: Diskussion über Mieten, Neubau und Stadtentwicklung

Ich hatte gestern beim Deutschlandradio (Zwischen Luxus-Sanierung und Armuts-Viertel) das Vergnügen mit ausgewiesenen Experten aus Wohnungswirtschaft und Politik über die aktuellen Mietentwicklungen und ihre Folgen für die Stadtentwicklung zu diskutieren. Neben Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und dem Geschäftsführer der Berliner landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Stadt-und Land Jürgen Marx war auch Jürgen Michael Schick vom Immobilienverband Deutschland (IVD) mit von der Partie. Letzterer war es auch, der uns erklärte, warum Mietsteigerungen im Interesse der Mieter/innen sind. Klingt irgendwie komisch, wurde aber sehr überzeugend vorgetragen…

Zum Nachhören: Rettet oder ruiniert der Immobilienboom unsere Städte? (mp3, 52:28 min.)

 

Neubau als Antwort auf die Wohnungsfrage?

Wie nicht anders zu erwarten, wurden mit statistischen Zahlen, Einschätzungen und Erfolgsberichten sehr verschiedene Interessen vertreten. Die gemeinsame Hauptbotschaft lautete jedoch wenig überraschend: Wir haben es im Griff und wenn nicht, dann sind wir auf einem guten Weg. Die Stadt und Land steigert mit Klassikkonzerten und Fussballturnieren die Lebensqualität in Hellersdorf und darf sich über sinkende Leerstandszahlen freuen, Hamburg baut neue Häuser und rettet Wilhelmsburg mit der IBA vor der Verslumung und auch die Immobilienbranche trägt mit ihren Investitionen wieder zur Entwicklung unserer Städte bei. Allen, die sich jetzt wundern, dass die Mieter/innen mit ihren Ängsten vor Mietsteigerungen und Verdrängung kaum vorkommen, sei gesagt: Auch das haben Immobilienwirtschaft und Politik im Griff. Die Lösung ist ganz einfach: Neubau, Neubau, Neubau.

Das Ganze hat nur einen kleinen Haken. Gebaut werden soll von privaten Investoren. In Hamburg z.B. werden von angestrebten 6.000 Neubauwohnungen pro Jahr gerade mal 1.200 Sozialwohnungen im ersten Förderweg errichtet, die können nichtmal die jährlichen Abgänge von ca. 5.000 Wohnungen p.a. aus den Sozialbindungen kompensieren.

 

Verrückte Marktlogiken: Mieter/innen sollen sich jetzt über Mietsteigerungen freuen

Für alle, die bisher der Argumentation von der zu erwartenden Entspannung der Wohnungsmärkte durch die Ausweitung des Angebotes etwas abgewinnen konnten, lohnt sich das Hören der Statements von Jürgen Michael Schick.

In der Debatte um die Hamburger Neubauquoten und die Vorschläge für einen größeren Förderanteil nahm er eine klare Position ein. Der Staat solle da heraushalten und das Bauen denen überlassen, die was vom Fach verstehen.

Jürgen Michael Schick (etwa ab 17:23 min.): „Das soziale Problem lösen wir nicht im Neubau, das lösen wir im Bestand. Und jede neugebaute Wohnung führt ja zur Entlastung des Mietwohnungsmarktes. Also wenn ein ganz normaler Mittelschichtshaushalt sich eine neugebaute Wohnung leisten kann, wird eine andere Bestandswohnung frei.“

Nur ein paar Minuten später drehte sich die Diskussion um notwendige Regulierungen im Bestand und insbesondere um den Vorschlag zur Deckelung der Neuvertragsmieten. Die Position des Immobilienvertreters gegen solche Regulierungen war wenig erstaunlich, die Begründung ließ mich jedoch hellhörig werden:

Jürgen Michael Schick (etwa ab 28:53 min.) „Die Deckelung von Neuvertragsmieten wird am Ende des Tages dazu führen, dass diejenigen darunter leiden, die eigentlich geschützt werden sollen, die Mieter. Denn es wird dazu führen, dass der Wohnungsneubau deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt… Wenn wir die Neuvertragsmieten deckeln wollen, dann wird das dazu führen, das der Wohnungsneubau unattraktiver wird.“

Da spricht Herr Schick innerhalb von 15 Minuten gleich zweimal im Interesse der Mieter/innen, doch am Ende läuft es doch nur auf Mietsteigerungen heraus. Der Argumentationsbogen wirkt nur auf den ersten Blick wie eine gelungene Rhetorik, hilft uns aber zu verstehen, worin das systematische Versagen der Marktlogik besteht, wenn es um das Bereitstellen preisgünstiger Wohnungen geht.

Die Argumentation noch mal mit anderen Worten: Nur erhöhte Neubauzahlen können den Druck vom Wohnungsmarkt nehmen und die momentanen Preissteigerungen einzudämmen. Doch Neubau gibt es nur, wenn die Bestandsmieten hoch genug sind, so dass auch der Neubau rentabel erscheint. Oder noch kürzer: die Mieten im Bestand müssen steigen, damit der Neubau die Mietsteigerungen im Bestand dämpfen kann. Mietsteigerungen im Interesse der Mieterschaft – so einfach löst der Markt die Wohnungsfrage. Kein Wunder, das immer mehr Mieterinitiativen eine Vergesellschaftung der Wohnungsversorgung fordern und nach Trägermodellen jenseits des Marktes suchen.

 

 


Antworten

  1. Hallo Herr Holm,

    wenn zwischen den Mieten im Bestand und im Neubau viel Differenz ist, welcher Mieter wird denn dann noch in den Neubau ziehen wollen, bzw. wer wird in die Baugruppe gehen und sich dort selbst eine neue Wohnung bauen?

    Und wer soll dann den gebrauchten neuen Wohnraum schaffen, gerade wenn von Seiten der Mieter- und Stadtteilinitiativen (gegen die Tempelhofbebauung oder Baugruppen) der Wind entgegen weht?

    Wenn die Miethöhen bei Neuvermietung nur 10% über Mietspiegel liegen dürften, welcher Vermieter wird denn dann nach dem Auszug des Vormieters noch Geld in die Hand nehmen und die Wohnung das Haus renovieren/sanieren und wie werden diese Wohnungen/Häuser nach Jahren/Jahrzehnten denn dann aussehen?

    Sicher, der Anstieg im Mietspiegel würde dann viel langsamer von statten gehen, Verdrängung über Mieterhöhungen im Bestand würden sich damit viel länger hinziehen. Aber wer würde bei so gedeckelten Mieten die leeren, gefragten Wohnungen bekommen? Und was für Wohnungen wären das dann, wenn der Vermieter nichts zu investieren bräuchte, bei ohnehin 200 Interessenten?

    Werden wir dann nicht am Ende in der real existierenden schönen neuen Mieterwelt ankommen?

    Ihre Forderungen gegen die Wohnungswirtschaft kommen mir vor, wie das Schuldenmachen der öffentlichen Hand: Lasst uns heute feiern, was morgen kommt, ist mir egal.

    Mit freundlichen Grüßen

    Nur Neubau hilft wirklich.

  2. Hallo „Nur Neubau hilft wirklich“,

    vielen Dank für den Kommentar und schön, dass sie das Dilemma der marktförmig organisierten Wohnungsversorgung auch noch mal mit eigenen Worten beschrieben haben. Ich will mich nicht um die kleinen Ungenauigkeiten streiten, die sich in ihre Argumentation eingeschlichen haben, aber in den aktuellen Reformvorschlägen um die Kappung der Neuvertragsmieten geht es ja nicht um die Modernisierungsumlage. Wohnwertsteigerungen dürfen bisher mit 11 Prozent der Kosten pro Jahr auf die Miete aufgeschlagen werden. Für Modernisierungsarbeiten gibt es also nach wie vor genügend Anreize. Bei den diskutierten Kappungsvorschlägen geht es hauptsächlich um die Neuvermietungen, bei den Eigentümer/innen ohne jede Investition höhere Mieten verlangen. Diese Form des leistungslosen Ertrages sollte auch die Freunde der Marktlogik eigentlich empören.

    Nur Neubau hilft – sagen sie. Die Frage ist jedoch für was? Wie sie ja auch noch mal beschreiben, ist die Voraussetzung für Investitionen in den Neubau, dass die Mieten im Bestand steigen. Wird nicht gebaut, sorgt die überhöhte Nachfrage für steigende Mieten. Wie wir es drehen und wenden, der Wohnungsmarkt schafft keine preiswerten Wohnungen. Mein Argument ist daher gar nicht gegen den Neubau gerichtet, sondern gegen die Marktlogik im Bereich der Wohnungsversorgung.
    Nur mal als Gedankenspiel: Die Neuvermietungsmieten werden gekappt und der Neubau ist für Investoren, die wirklich Geld verdienen wollen unattraktiv. Was geschieht? Niemand will mehr in den Wohnungsbau investieren, auch das Geschäft mit den Bestandswohnungen läuft wegen der Kappung nicht wirklich gut. Immer weniger Eigentümer wollen Grundstücke kaufen, die Preise sinken… Erst damit wird es gemeinnützigen Bauträgern wieder möglich, überhaupt Wohnungen zu bauen, denn zur Zeit ist es für Genossenschaften, selbstorganierte Bauprojekte etc. immer schwieriger, überhaupt Grundstücke zu erwerben, die einen sozialen Mietpreis ermöglichen…

    Mit besten Grüßen,

    AH

  3. Hallo ah. Was wären denn dann die Vergabekriterien für die Wohnungen mit der Kappungsgrenze? Die Vermieter würden unweigerlich die Klientel als Mieter wählen die die wenigsten Probleme bereiten, somit einkommensstarke Haushalte. Wenn ich als Vermieter kein freies Vertragsrecht bei der Neuvermietung ausüben kann dann will ich bei geringer Rendite nicht auch noch zusätzliche Arbeit mit den Mietern haben. Ergo werden Hartzer und das Päkariat weiter in bestimmte Quartiere abgeschoben mit einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale. Die Vermietungen erfolgen dann mit Fakelaki und nur mit Zeitmietverträgen oder der Gebäudebestand leidet. Die Immobilienpreise werden aber nicht fallen, da sowieso zu viel Investitionskapital herumschwirrt und das will zumindest einigermassen sicher angelegt sein. Immobilien werden ihren Wert nie ganz verlieren im Gegensatz zu anderen Anlageformen da es sich um Sachvermögen handelt. Immobilienbeitzer werden bei einer Kappung auf Teufel komm raus die energetische Sanierung vorantreiben. Kannst du mal darlegen ab welcher Wertgrenze du einen Anstieg des genossenschaftlichen Wohnungsbaus erwartest? Meiner Meinung nach müssten da die Preise so weit fallen bis hier signifikante Neubauzahlen erreicht werden können, das dies einen wirtschaftlichen Zusammenbruch in Deutschland auslösen würde auf Grund der damit verbundenen Kreditausfälle, das wird der Staat nicht zulassen, dass ihn in seinen Grundfesten erschüttern würde wenn man sich anschaut wie viel Vermögen in Immobilien bereits investiert ist.

  4. Hallo,
    wenn ich mal kurz off topic etwas fragen darf: Warum wird denn dieses Model nicht breit diskutiert?

    Salzburg: Wohnungsneubau für 4,78 Euro pro Quadratmeter

    Gibt es da einen Haken? Wenn nicht, müsste das doch hier sofort auf die Tagesordnung.

  5. Hallo genova68,
    die Diskussion um das Salzburger Modell des Sozialen Wohnungsbaus ist ja in Berlin von Kotti&Co aufgegriffen worden und auf der Konferenz zum Sozialen Wohnungsbau gab es eine ganze Arbeitsgruppe (sogar mit Experten aus Österreich) die über eine mögliche Übertragbarkeit nach Berlin diskutiert haben.
    Einen Mitschnitt der Arbeitsgruppe (Rekommunalisierung) findest du hier: http://mietendossier.blogsport.de/2012/11/20/konferenz-zum-sozialen-wohnungsbau-audioaufzeichnung/
    Soweit ich die Ergebnisse der Konferenz im Kopf habe, versprachen Politik und Verwaltung, sich näher mit den Vorschlägen auseinanderzusetzen… Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Zumindest sind die Gesprächsrunden zwischen Verwaltung und Mieter/innen wieder in Gang gekommen und es wird wohl auch über konkrete Lösungen diskutiert.

    Ein Haken – nicht am Salzburger Modell, ab an den Rahmenbedingungen in der BRD – ist, dass hier im Gegensatz zu Österreich die Gemeinnützigkeit für Wohnungsunternehmen abgeschafft wurden. Die gemeinnützigen Bauträger jedoch sind in Salzburg der Hebel, um an die zinsgünstigen Bundeskredite heranzukommen.

    An verschiedenen Stellen in Berlin wird zur Zeit aber sehr intensiv über vergleichbare soziale Wohnungsbaukonzepte und revolvierende Fonds nachgedacht. Vermutlich ist es auch sehr sinnvoll, eine konkrete Idee für die Adaption zu entwickeln, bevor das Pulver des Salzburger Modells in der Öffentlichkeit verschossen wird (und irgendein Beamter feststellt, dass hier dies oder jenes anders und an eine Anwendung gar nicht zu denken sei).

    Beste Grüße,
    AH

  6. Danke!
    Ich meinte eher, dass das öffentlich diskutiert werden müsste: So wie das Thema „hohe Mieten“ in der Tagesschau angekommen ist, müsste so eine Lösung breit diskutiert werden. Ich finde dazu aber nur den taz-Artikel. Die Öffentlichkeit könnte ja auch Druck herstellen angesichts der überzeugenden Zahlen aus Salzburg.

    Das Salzburger Modell wäre also ohne Schwierigkeiten auf Deutschland übertragbar, wenn man die Gemeinnützigkeit wieder einführen würde.

  7. Hallo Herr Holm,

    Sie haben mich missverstanden. Ich meinte mit renovieren/sanieren die klassische Instandhaltung/Verschönerung, die nach 20 Jahren einmal die hässlichen 80/90er Jahre Fliesen im Bad mit Bordüre entfernt und ein neugefliestes Bad schafft, Fliesen in die Küche statt PVC, Laminat/Teppich raus und Dielen abschleifen bzw. Fertigparkett neues Laminat rein etc. Von diesen Verschönerungs- und Erhaltungsarbeiten (am Haus: Treppenhaus/Fassade streichen, Stränge austauschen etc.) ist nichts mit 11% umlegbar und macht sich auch nicht im Mietspiegel bemerkbar. Dort gibt’s nur modernes Bad, egal ob die Fliesenfarbe aus den 80er, 90,er, 00er oder 2010er ist.

    Wenn sich all diese Investitionen nicht mehr in höherer Miete auszahlen, werden sie wohl (bei gleichbleibender Wohnungsknappheit) nicht stattfinden und es wird ein langsamer Verfall einsetzen. Das ist zwar ökologisch, aber nicht das, was die meisten Menschen wollen. Die wollen nämlich nicht nur billig wohnen, sondern auch schön.

    Ich befürchte, durch Kappungsgrenzen bei Neuvermietung würden wir im Ergebnis dabei landen, dass wir alle gleich schlecht/billig/heruntergekommen wohnen würden/müssten. Wir könnten noch 20-30 Jahre vom aktuell hohen Austattungsniveau zehren, aber irgendwann wäre es wie in Kuba: morbider Charme…

    Nur, bei Neuvermietungen wird dieser abgewohnte Wohnungs- Hauszustand dann auch nicht dazu führen, dass wegen der 10% über Mietspiegel die wirtschaftlich Schwächsten diese Wohnungen in gefragten Wohnlagen bekommen, solange der Wohnungsmarkt angespannt ist. In einem solchen Fall wird dann ein Handgeld oder Beziehungen oder die Höhe des verfügbaren Einkommens oder bei den Wohnungsbaugesellschaften Parteizugehörigkeit oder sonst etwas den Ausschlag geben, wer die Wohnung bekommt. Bei 200 Interessenten für eine Wohnung am …platz oder in der …Straße, da werden sich die Interessenten schon etwas einfallen lassen, um die zu bekommen.

    Wenn man aber tatsächlich Neuvermietungskappung einführen würde und sich, wie in Ihrem Besipiel angenommen, die Privatwirtschaft/Investoren zurückziehen würden:

    Wären denn dann die Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften bspw. in Berlin finanziell in der Lage überhaupt Neubau in nennenswertem Umfang zu errichten? Ich bezweifle dass die Gesobau (bei aktuellen 1,6 Mrd. Schulden) ca. 1,5 Mrd Neuverschuldung pro Jahr (!) aufnehmen kann/möchte für den Bau der erforderlichen 10.000 Wohnungen pro Jahr.

    Könnten die Wohnungsbaugesellschaften/Genossenschaften denn überhaupt billiger bauen als die Privaten, damit die Mieten auch wie gewünscht billig sind? Der Grundstückspreis ist doch nach meiner Kenntnis, auch wenn der Mann von Stadt und Land im Radio anderes behauptet hat, nur der kleinste, fast vernachlässigbare, Anteil der Miete.

    Andersherum: Wenn bei Neubau ohnehin 8-10 €/m² Miete verlangt werden müssen, allein um die Baukosten zu bezahlen, und die Privatinvestoren stattliche Renditen erzielen, dann sollten doch die Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften sich mit einer bescheidenen Rendite zufrieden geben und müssten deshalb doch sogar jetzt schon mehr für das Grundstück bezahlen können als die Privatinvestoren, oder?

    Mit freundlichen Grüßen

    Nur Neubau hilft wirklich.

  8. […] alles super? Nicht ganz, wenn wir einen Bericht auf dem Blog des „godfather“ der deutschen Gentrifizierungsforschung zu einer Diskussion beim […]

  9. […] (https://gentrificationblog.wordpress.com/2013/01/26/logik-des-marktes-mietsteigerungen-sollen-mieteri…) […]

  10. Sehr geehrter Herr Holm,

    ich habe eine kurze Nachfrage. Sie sprechen in Ihrem Artikel davon, dass es ein „…systematische Versagen der Marktlogik besteht, wenn es um das Bereitstellen preisgünstiger Wohnungen geht.“

    Ihnen scheinen preisgünstige Wohnungen ja am Herzen zu liegen. Sie engangieren sich ja auch ganz offensichtlich aktiv dafür.

    Ich frage daher Sie, warum, anstatt „Politik“ zu betreiben, Sie die Sache nicht in die Hand nehmen und einen solchen Wohnraum schaffen?

    Ich kenne Ihre Antwort zwar noch nicht, aber vermutlich ist meine nächste Frage welche Rückschlüsse Ihr Tun bzw. Unterlassen bzgl. des Schaffens von Wohnraum auf den Markt und dessen Logik zu lässt.

    Ich freue mich auf Ihre Antwort.

    Herzliche Grüße

    Aylin Kyzic

  11. Hallo Aylin Kyzic,
    vielen Dank für ihren Kommentar. Ich glaube ihre Frage kann auf mindestens zwei Ebenen beantwortet werden.

    Zum einen könnte ich mich virtuell in die Rolle des Bauherren versetzen und würde vermutlich schnell merken, dass unter den gegebenen Umständen (Grundstückpreise, Finanzierungskonditionen, Baukosten) preiswerte Wohnungen gar nicht erstellt werden können. Jedenfalls nicht, ohne eigene finanzielle Verluste in Kauf zu nehmen. Kein Wunder: denn in meiner Bauherrenrolle wäre ich ja ein typischer Marktteilnehmer und könnte das Versagen des Marktes bei der Erstellung preiswerten Wohnraumes praktisch demonstrieren. Eben diese Unmöglichkeit/Beschränktheit privater Bauherren habe ich ja auch als „systematisches Marktversagen“ beschrieben.

    Gerade deshalb plädiere ich ja für marktferne Wohnungsbauträger, die in den meisten Fällen wohl gemeinwohlverpflichtete oder öffentliche Gesellschaften sein müssten und für diese
    Gemeinwohlverpflichtung (und die damit einhergehende Gewinnbeschränkung) eine privilegierten Zugang zu Grundstücken, öffentliche Darlehen und Steuerbegünstigungen erhalten. Die Rahmenbedingungen für ein Wohnen als Teil der sozialen Infrastruktur sind nur politisch durchzusetzen und lassen sich zur Zeit nicht auf der Umsetzungsebene simulieren.

    Falls hinter ihrem Kommentar der Vorwurf stehen sollte, hier nur politische Forderungen zu stellen, statt selbst aktiv Hand anzulegen, kann ich ihren versichern, dass es noch eine Reihe anderer Bereiche gibt, in denen ich eine Bereitstellung der Leistungen durch Staat und die Kommunen erwarte. Ich wünsche mir zum Beispiel auch weiterhin eine kostenfreie Schulausbildung, ein öffentlich organisiertes Gesundheitswesen oder einen funktionsfähigen Öffentlichen Nahverkehr – auch ohne selbst Lehrer, Krankenpfleger oder Busfahrer zu werden. Kurzum: es gibt eine Reihe von Aufgaben, die nur in kollektiver Kollaboration erstellt werden können und deshalb eigentlich Aufgabe der öffentlichen Hand sein sollten. Aus meiner Perspektive gehört die Versorgung mit preiswerten Wohnungen dazu. Gerade, weil sie, wie oben geschildert, unter den Bedingungen des Marktes nicht erstellt werden.

    Mit freundlichen Grüßen,

    AH

  12. Sehr geehrter Herr Holm,

    herzlichen Dank für Ihre schnelle und gründliche Antwort. Wir sind uns in der Analyse also einig: Es lohnt finanziell nicht einen solchen Wohnraum zu schaffen, wohlmöglich steht am Ende nichtmal eine schwarze Null sondern rote Zahlen.

    Ich tue mich aber schwer dies als Marktversagen zu bezeichnen. Der Markt bietet ja Wohnraum in guter Innenstadtlagen an, auf diesem Markt gibt es auch einen funktionienden Wettbewerb, es kommt jedoch nicht ein Preis am Ende heraus den sich jeder leisten kann.

    Und das ist ja ihr Ziel, so wie ich es verstehe.

    Ich sehe für Ihr Ziel zwei Möglichkeiten zum Erreichen dessen. Zum einen, wie von Ihnen ja erwähnt, die Vermietung von Wohnraum durch den Staat unterhalb der ortsüblichen Miete, oder anders ausgedrückt des Marktpreises.

    Zum anderen könnte man das Einkommen bestimmter Menschen so aufstocken, dass sie auch zum Marktpreis eine Wohnung in guter Innenstadtlage mieten könnten. Nennen wir es mal „Innenstadtwohnungs-Zulage“.

    Letzteres scheint mir effizienter zu sein und ist ja auch das gänige Modell. Beispielsweise betreibt der Staat auch keine Supermärkte, Kleidungsgeschäfte oder Telefonanbieter, sondern gibt den Menschen Geld, die sich Essen, Kleidung und Telefon nicht zum Marktpreis leisten können.

    Ich sehe aus Ihrer Sicht nur einen ganz großen Nachteil an der letzten Methode: Es ist maximal transparent.

    Die Steuerzahler würden sich fragen warum bestimmte Menschen eigentlich von Vaterstaat eine Wohnung in bester Lage bezahlt bekommen. Ferner müsste man für jederman sichtbare Kriterien aufstellen, nach denen Menschen diese „Innenstadtwohnungs-Zulage“ erhalten. Insofern vermute ich, dass diese Variante letztlich nicht dem steuerzahlenden Wähler vermittelbar ist.

    Bei Ihrer Variante, dem staatlichen Wohnungsbau, ist dieses Prinzip nicht so transparent, nicht so sichtbar, und deshalb politisch durchsetzbarer. Deshalb ist dieses die einzige Variante wie Sie zu ihrem Ziel kommen (könnten).

    Liege ich richtig?

    Herzliche Grüße

    Aylin Kyzic

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